Was zeichnet Gemeinschaftliches Wohnen gegenüber dem klassischen Wohnen aus?
Gemeinschaftliches Wohnen ist gegenüber dem klassischen Wohnen durch aktive nachbarschaftliche Kontakte und einen regelmäßigen Austausch im Wohnalltag geprägt. Während auch im Gemeinschaftlichen Wohnen der private Wohnraum als Rückzugsort verstanden wird, bieten die gemeinschaftlichen Anlagen Raum für alltägliche Begegnungen, gemeinsame Aktivitäten, Treffen und Veranstaltungen. Neben regelmäßigen sozialen Kontakten, gehört eine wechselseitige nachbarschaftliche Unterstützung im Alltag ganz selbstverständlich zum Gemeinschaftsleben dazu. Gegenüber dem klassischen Wohnen verfügen die Bewohnerinnen und Bewohner gemeinschaftlicher Wohnformen zudem über erweiterte Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, deren Umfang wiederum von der jeweiligen rechtlichen Konstruktion gemeinschaftlicher Wohnformen abhängt.
Wer wohnt in gemeinschaftlichen Wohnprojekten?
Menschen aller Altersstufen mit und ohne Handicap, die aktiv ihr nachbarschaftliches Zusammenleben gestalten möchten.
Was unterscheidet Gemeinschaftliches Wohnen vom Gemeinschaftlichen Wohnen plus?
Was die Komponente des Wohnens in einer solidarischen und nachbarschaftlich aktiven Gemeinschaft angeht, gibt es keine Unterschiede zwischen Gemeinschaftlichem Wohnen und dem Gemeinschaftlichen Wohnen plus. Zusätzlich berücksichtigt jedoch Gemeinschaftliches Wohnen plus die besonderen Anforderungen an das Gemeinschaftliche Wohnen bzw. Wohnumfeld im Alter und bei Pflege- und Unterstützungsbedarf. Im Gemeinschaftlichen Wohnen plus entstehen quartiersnah Angebote, die ein selbstbestimmtes Leben im Gemeinschaftlichen Wohnen absichern bzw. ermöglichen sollen. So integrieren bspw. Projekte, die im Bundesmodellprogramm „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ gefördert werden, Räume zum Aufbau bzw. zur Organisation ehrenamtlicher Hilfestrukturen, Nachbarschaftscafés, Tagespflegeeinrichtungen, Wohn-Pflege-Gemeinschaften u.v.m.
Wie viele gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt es?
Es gibt derzeit keine belastbaren Studien zur Anzahl gemeinschaftlicher Wohnprojekte in Deutschland. Dies liegt zum einen daran, dass es keine einheitliche Definition für gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt, zum anderen existiert keine zentrale Erfassung von Wohnprojekten. Beim Wohnprojekte-Portal (www.wohnprojekte-portal.de) der Stiftung-trias Hattingen (Ruhr), dem führenden Portal für Gemeinschaftliches Wohnen in Deutschland, sind aktuell über 700 realisierte Wohnprojekte gelistet. Das FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V. und andere professionelle Stellen schätzen, dass die Zahl gemeinschaftlicher Wohnprojekte deutschlandweit im vierstelligen Bereich liegt.
Warum gewinnt Gemeinschaftliches Wohnen plus zunehmend an Bedeutung?
Gemeinschaftliche Wohnformen entstehen vielfach aus einem wachsenden Bedürfnis nach sozialer Einbindung und sozialem Rückhalt. Im Prozess des gesellschaftlichen Wandels werden traditionelle Beziehungsformen und familiäre Bindungen zunehmend brüchig, was unmittelbare Auswirkungen auf den Lebensalltag vieler Menschen hat. Insbesondere in Phasen der Unterstützungsbedürftigkeit, bei Krankheit, im Pflegefall oder auch im Alter bei eingeschränkter Mobilität, braucht es Menschen im nahen Umfeld, die bereit sind zu helfen und Verantwortung in ihrem sozialen Nahbereich zu übernehmen. Gemeinschaftliches Wohnen fördert die wechselseitige Unterstützung im sozialen Wohnumfeld und trägt damit zur Entlastung von Familien bei, die heute aufgrund wachsender Mobilitätsanforderungen und doppelter Erwerbstätigkeit vielfach nicht mehr oder zumindest nur noch in Teilen im Stande sind, traditionelle Sorgeaufgaben zu übernehmen. Auch der demografische Wandel wirkt sich inzwischen unmittelbar auf die Lebensumstände aus. Klar ist, dass es einer großen kollektiven Anstrengung bedarf, um Menschen ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben in der Mitte der Gesellschaft im Alter und bei Hilfe- und/oder Pflegebedürftigkeit zu ermöglichen. Eine wachsende Zahl an alternden Menschen steht einer verhältnismäßig geringer werdenden Anzahl an jungen Menschen gegenüber. Daraus ergeben sich besondere Herausforderungen für die Finanzierung und Organisation von Wohnen, Pflege und Betreuung. Im Gemeinschaftlichen Wohnen stellen sich Menschen bereits heute diesen Herausforderungen, indem sie ein unterstützendes Wohnumfeld schaffen und füreinander Verantwortung übernehmen. Dies geschieht durch lebendige Nachbarschaften, organisierte Hilfen im Alltag und – diese Form ist vergleichsweise jung, erfreut sich aber zunehmender Popularität – durch die Integration von Pflege- und Unterstützungsangeboten wie beispielsweise Tagespflegeeinrichtungen oder ambulant betreuten Pflege-Wohn-Gemeinschaften in das Gemeinschaftliche Wohnen.
Welche Rechtsformen für gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt es?
Die Wahl der Rechtsform gemeinschaftlicher Wohnprojekte entscheidet über die finanziellen Verpflichtungen der Mitglieder, die Verteilung der Kosten, die Mitspracherechte sowie die Austrittsmodalitäten. Mögliche Organisationsformen gemeinschaftlicher Wohnformen sind Wohnprojekte zur Miete, die einen Verein oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bilden, Wohnprojekte in Trägerschaft, bspw. durch eine traditionelle Genossenschaft oder ein städtisches Wohnungsunternehmen – hier sind die Projekte als Verein konstituiert und schließen mit den Gebäudeeigentümern entweder einen Generalmietvertrag oder eine Kooperationsvereinbarung – , Wohnprojekte im privaten Eigentum (WEG) oder auch Wohnprojekte als neu gegründete Kleinstgenossenschaften oder GmbH (z. B. Mietshäuser-Syndikatsmodell).
Was ist eine Baugemeinschaft?
Eine Baugemeinschaft ist eine Gruppe von Menschen, die sich zusammenschließt, um individuell genutzte Wohnungen oder Häuser nebst Gemeinschaftseinrichtungen zu bauen bzw. umzubauen. Die Baugemeinschaft baut in der Regel auf einem eigenen Grundstück und beauftragt professionelle Dienstleister (Bauträger und Architekten), die die Abstimmungsprozesse begleiten bzw. steuern. Die entstehenden Wohnungen werden von den Mitgliedern selbst genutzt. Mit Beginn der Planungsphase gründen die Bauwilligen in der Regel eine GbR, um Rechtsgeschäfte, wie den Grundstückserwerb, eingehen zu können. Für die Nutzung des Wohnraums nach Fertigstellung kommen verschiedene Rechtsformen in Frage. Im Wesentlichen wird zwischen Baugemeinschaften unterschieden, die eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden und Baugemeinschaften, die sich als Genossenschaft oder GmbH organisieren. In der Regel erwächst aus der Gemeinschaft im Bauen auch eine Gemeinschaft im Wohnen, viele Baugemeinschaften verstehen sich nach Einzug als Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens.
Wer sind die potentiellen Trägerinnen und Träger gemeinschaftlicher Wohnformen?
Private Gruppen von Menschen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinschaftlich zu wohnen und sich in einem Verein, einer WEG, einer Kleinstgenossenschaft, einer GmbH oder einer GbR zusammengeschlossen haben sowie kommunale Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften, die ihren Bestand für Gemeinschaftliches Wohnen öffnen und dafür mit einer Nutzerinnen- und Nutzergruppe kooperieren, d. h. entsprechende Räume und Wohnungen sowie Nutzungsrechte zur Verfügung stellen.
Wie entstehen lebendige Nachbarschaften und wechselseitige Unterstützung im Gemeinschaftlichen Wohnen?
Von großer Bedeutung für lebendige Nachbarschaften ist zunächst das architektonische Konzept. Hier sind offene Bauweisen, die Möglichkeiten zur Begegnung schaffen, ebenso wichtig wie großzügige Flächen im Innen- und Außenbereich, die Raum für gemeinsame Aktivitäten bieten und zum gemeinsamen Verweilen und Gestalten einladen. Doch dies allein macht noch kein Gemeinschaftliches Wohnen aus. Gemeinschaft muss zunächst gestiftet werden und dazu braucht es einen gemeinsamen Gegenstand. In Baugemeinschaften ist dieser Gegenstand zunächst die Planung von Wohnungen und Gemeinschaftsflächen in einem Neu- oder Altbau. Hier entstehen regelmäßige Kontakte und Kommunikation, man lernt – sofern man nicht bereits im Vorfeld miteinander befreundet war – einander kennen. Im Idealfall wird spätestens in dieser Phase der Grundstein für das zukünftige solidarische und nachbarschaftliche Miteinander und die Bereitschaft zur wechselseitigen Unterstützung im Alltag gelegt oder gefestigt. Aber auch in der Einzugs- bzw. Wohnphase kann sozialer Zusammenhalt begründet und gefestigt werden. Gemeinsamer Gegenstand ist hier die kollektive Gestaltung des Gemeinschaftslebens. Dazu gehört zum einen die Organisation der Selbstverwaltung und Mitbestimmung, welche regelmäßige Kommunikation, Austausch und Kooperation im Wohnalltag verlangt und die im Idealfall durch eine wechselseitige Vereinbarung abgesichert ist, zum anderen bilden gemeinschaftliche Aktivitäten wie Feste, Pflanznachmittage im Garten, gemeinsames Kochen etc. das Mark lebendiger Nachbarschaften im Gemeinschaftlichen Wohnen und darüber hinaus.
Wie lange dauert die Realisierung gemeinschaftlicher Wohnprojekte?
Wohnprojekte, die im Investorenmodell realisiert werden, durchlaufen in der Regel eine kürzere Planungs- und Bauphase als Baugemeinschaftsprojekte. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner trägergesteuerter Vorhaben häufig nur marginal an der Konzeptentwicklung und Bauplanung beteiligt werden. Bei Baugemeinschaften basiert hingegen die Projektentwicklung und
-realisierung auf umfassenden Abstimmungsprozessen der Projektmitglieder, so dass sämtliche Entscheidungen in der Planungs- und Bauphase (z. B. Wohnungsanzahl, Wohnungsgröße, Inanspruchnahme von Mitteln der Sozialen Wohnraumförderung, Grundrisse usw.) in der Gruppe diskutiert, beschlossen und umgesetzt werden müssen. Vorteile der umfänglichen Mitbestimmungsmöglichkeiten in Baugemeinschaften sind individuellere Grundrisse und eine Gebäudestruktur, die genau auf die Bedürfnisse des Wohnprojektes zugeschnitten ist.
Eine besondere Herausforderung für Baugemeinschaften ist zudem meist die Suche eines geeigneten Baugrundstücks oder einer Bestandsimmobilie zum Kauf oder zur Miete, da insbesondere in wachsenden Städten die Boden- bzw. Immobilienpreise explosionsartig in die Höhe geschossen sind und Baugemeinschaften im Bieterverfahren oft unterliegen. Städte wie Hamburg haben aus diesem Grund über Konzeptvergabeverfahren einen Weg für Baugemeinschaften geschaffen, Grundstücke zu erwerben.
Projekte im Investorenmodell profitieren demgegenüber von einem größeren finanziellen Spielraum, dem fachlichen Know-how und den erweiterten Netzwerken professioneller Träger, die die Chancen erhöhen, schneller ein geeignetes Baugrundstück zu finden.
Wie ist das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit im Gemeinschaftlichen Wohnen, gibt es Rückzugsmöglichkeiten?
Gemeinschaftliche Wohnprojekte haben nichts mit den Wohnkommunen der 1960er und 1980er Jahre zu tun. Neben den Gemeinschaftsflächen bzw. -räumen wird dem privaten Wohnraum als Rückzugsort in modernen Wohnprojekten eine große Bedeutung beigemessen. Dabei steht das Privatleben in der Regel in einem sehr ausgewogenen Verhältnis zum Gemeinschaftsleben. Letzteres stellt immer ein Angebot und keine Verpflichtung dar, auch wenn sich natürlich in der Regel Menschen zusammenfinden, die neben dem Privatleben auch Wert auf ein aktives Gemeinschaftsleben legen und bereit sind, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten in das Projekt einzubringen.
Bin ich zu alt für Gemeinschaftliches Wohnen?
Nicht das persönliche Alter, sondern die persönliche Neigung sollte für die Wahl der eigenen Wohnform maßgeblich sein. Wer aufgeschlossen gegenüber gemeinschaftlichen Aktivitäten ist und sich regelmäßige nachbarschaftliche Kontakte sowie wechselseitige Unterstützung im Wohnalltag wünscht, für den ist Gemeinschaftliches Wohnen im Alter sicher eine richtige Wahl.
Welche Fördermöglichkeiten für Gemeinschaftliches Wohnen gibt es?
Viele Länder haben im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung auch für Wohnprojekte die Möglichkeit geschaffen, günstige Darlehen und Tilgungszuschüsse zu erhalten. Beratungsstellen für Gemeinschaftliches Wohnen gibt es eher im westlichen Teil der Republik und den Stadtstaaten.
Können auch Personen mit geringem Einkommen gemeinschaftlich Wohnen?
Kommunale Wohnungsunternehmen und Wohnungsbaugenossenschaften übernehmen angesichts ihres in der Satzung verankerten sozialen Auftrages eine führende Rolle bei der Schaffung von öffentlich geförderten Wohnangeboten, so auch bei Projekten des Gemeinschaftlichen Wohnens, die sie im Investorenmodell realisieren.
Anders als diese professionellen Träger, verfügen Baugemeinschaften über keinerlei Erfahrungen mit der sozialen Wohnraumförderung, so dass sie das Antragsprozedere und den mit der Förderung verbundenen Verwaltungsaufwand teilweise scheuen. Nichts desto trotz gibt es auch die klassischen Baugemeinschaftsprojekte, die öffentlich geförderten Wohnraum integrieren oder bestrebt sind, bei freifinanziertem Wohnungsbau die Mietkosten gering zu halten. In Kommunen, die Konzeptvergabeverfahren eingeführt haben, sind Baugemeinschaften häufig auch aufgefordert, einen prozentualen Anteil an öffentlich gefördertem Wohnraum in ihr Konzept zu integrieren. Auf diese Weise fördern Kommunen aktiv die Öffnung Gemeinschaftlicher Wohnformen für Menschen mit geringem Einkommen.
Können auch Menschen mit Handicap gemeinschaftlich Wohnen?
Ja, es gehört fast schon zum „guten Ton“ bei gemeinschaftlichen Wohnprojekten zumindest barrierearm zu bauen. In der Praxis entstehen in vielen Projekten mehrere barrierefreie Wohnungen allein dadurch, dass immer mehr Wohnprojekte und Wohngruppen für die Generation 60+ entstehen. Zudem wird auch in diesem Punkt via Konzeptvergabe kommunal gesteuert, indem Projekte mit barrierearmer/barrierefreier Bauweise bevorzugt ausgewählt werden. Neben den baulichen Voraussetzungen bieten die guten Kontakte zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit zu gelebter Inklusion. Diversität ist akzeptiert, viele Wohnprojekte sehen in der Konzeption ihres Projektes auch die Vermietung an Menschen mit Behinderung und/oder geistiger Einschränkung vor.
Ist Gemeinschaftliches Wohnen nicht eher eine Nische im großstädtischen Raum und erreicht überwiegend die bürgerlichen Kreise unserer Stadtgesellschaft?
Es gibt gegenwärtig eine große Nachfrage nach Gemeinschaftlichem Wohnen, die inzwischen auch das Interesse der Wohnungswirtschaft an der Erprobung neuer Wohnformen, sowohl im Bestand als auch im Neubau, geweckt hat. Professionelle Träger verbinden dabei besonders häufig das Gemeinschaftliche Wohnen mit Angeboten für Menschen mit Unterstützungs- und/oder Pflegebedarf. Auch das Thema barrierefreies Bauen oder Umbauen von Wohnungen spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Die Mieterschaft wird älter und damit verändern sich die Ansprüche an Wohnraum und Wohnumfeld. Barrierefreiheit in Verbindung mit einer wohnortnahen professionellen Versorgungsinfrastruktur ist dabei ebenso wichtig wie niedrigschwellige Unterstützungsangebote im Quartier, soziale Kontakte und Begegnungsmöglichkeiten im Alltag. Letztere finden im Gemeinschaftlichen Wohnen eine ideale Basis. Denn woraus soll gegenseitige Unterstützung im Wohnalltag erwachsen, wenn nicht aus einer Wohnform, die von vornherein darauf angelegt ist, soziale Kontakte zu fördern.
Die Schaffung von kleinteiligen quartiers- bzw. wohnortnahen Versorgungslösungen basiert auf dem allgemeinen Wunsch, möglichst lange selbstbestimmt zu Hause leben zu können. Gemeinschaftliches Wohnen bietet einen Ansatz, diesem Wunsch auch unter den Bedingungen des demografischen und gesellschaftlichen Wandels entsprechen zu können, weil es die Entstehung sorgender Gemeinschaften auch jenseits von Familie fördert. Je stärker Verantwortungsträgerinnen und -träger in Politik, Wohnungs- und Pflegewirtschaft dieses Potential gemeinschaftlicher Wohnformen erkennen, desto stärker wird das Angebot an gemeinschaftlichen Wohnangeboten wachsen.
Die fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit beim Bauen und Wohnen konzentriert sich häufig auf die ökonomische und die ökologische Dimension des Prinzips. Berührt sind damit wichtige Fragen einer wirtschaftlichen Gebäudeplanung sowie z.B. Fragen des ressourcenschonenden Einsatzes von Baumaterialien und der Minimierung eines umweltbelastenden Verbrauchs natürlicher Ressourcen beim Wohnen.
Eine weitere, häufig vernachlässigte, Größe ist die soziale und kulturelle Dimension nachhaltigen Bauens und Wohnens. Diese Dimension berücksichtigt die Lebenskontexte und Lebensstile und damit verbundene spezifische Wohnbedürfnisse der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer, die in modernen Gesellschaften äußert heterogen ausfallen können. Gleichzeitig erfasst sie Orte für öffentliches und gemeinschaftliches Leben sowie die (infra)strukturellen und räumlichen Grundlagen die eine Partizipation und Teilhabe sozialer Akteurinnen und Akteure am gemeinschaftlichen Leben, an öffentlichen Gütern und an kleinen Lebenskreisen unterstützen bzw. ermöglichen.
Soziale Nachhaltigkeit entsteht immer dort, wo Menschen in soziale Netzwerke und Beziehungen eingebunden sind. Sie bildet einen Kontrapunkt zu Prozessen der Individualisierung, Isolierung und Vereinsamung von Gesellschaftsmitgliedern. Eine zentrale Dimension sozialer Nachhaltigkeit betrifft die Ausgestaltung von Wohnraum und Wohnumgebungen. Maßnahmen zur Schaffung von Wohnverhältnissen, die nachbarschaftliche Kontakte begünstigen, fördern und verstetigen, die Teilhabe und Teilnahme auch für ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung ermöglichen, erzeugen soziale Nachhaltigkeit. Beispielgebend sind in diesem Zusammenhang Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens plus.
Unter Gemeinschaftlichem Wohnen plus werden Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens verstanden, die zusätzliche Angebote zur Beratung, Pflege und Unterstützung sowie Partizipation in ihr Konzept integrieren und damit bspw. Möglichkeiten eines längeren Verbleibs von Menschen mit Unterstützungsbedarf im Projekt schaffen. Mögliche plus-Bausteine sind Wohngruppen, Beratungsstellen, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Nachbarschaftstreffs/-cafés, Quartiersbüros, Tagespflegeeinrichtungen und Nachbarschaftshilfe, die unmittelbar mit dem Wohnprojekt verbunden werden.
Plus Elemente bilden einen Nachhaltigkeitsbaustein in der demografiefesten Quartiersgestaltung. Indem sie Menschen im Alter ermöglichen, in der Mitte der Gemeinschaft wohnen zu bleiben und die dafür notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen, werden etablierte soziale Beziehungen in Quartier und Nachbarschaft erhalten und Fürsorgeverhältnisse auch jenseits der Familie gestärkt. Soziale und kulturelle Nachhaltigkeit beim Bauen und Wohnen zu berücksichtigen, bedeutet, den Herausforderungen des gesellschaftlichen und demografischen Wandels in den kommenden Jahrzehnten aktiv zu begegnen.
Die Abschlussdokumentation „Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen – eine Bilanz“ fasst die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse aus vier Jahren fachlicher Begleitung des Modellprogramms „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ durch das FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V. zusammen.
Im Rahmen des Programms wurden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 2015-2019 insgesamt 34 innovative und richtungsweisende neue Wohnformen mit Vorbildcharakter für die jeweilige Region gefördert. All diese Projekte stärken die Inklusion und Teilhabe beim Wohnen, indem sie dazu beitragen, gemeinwohlorientierte Wohnumfelder zu entwickeln, in denen Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und Lebenslagen möglichst Selbständig und Selbstbestimmt leben können.
Unterschiedliche Akteure aus Städten und Gemeinden, Wohnungsunternehmen, Sozialverbänden und der Zivilgesellschaft begegnen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel mit neuen Konzepten und Projekten. Viele von ihnen erkennen und nutzen die Potenziale Gemeinschaftlichen Wohnens sowie neuer Wohn-Pflege-Formen für die lokale, regionale und strukturelle (Weiter-)Entwicklung. Die vorliegende Publikation informiert über die Genese der Modellprojekte, über Hürden ihrer Planung bzw. Realisierung und deren Überwindung, über Finanzierungsoptionen sowie über bestehende und wünschenswerte Förderansätze. Sie soll inspirieren und Mut machen, neue Wege beim Thema Bauen und Wohnen zu gehen.
Die Fachbroschüre steht als barrierefreies PDF hier zur Verfügung.
Die Publikation Inklusion und Vielfalt im Gemeinschaftlichen Wohnen dokumentiert die Fachtagung im Rahmen des Modellprogramms „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ am 13. November 2018 in Weimar. Die Broschüre fasst die Diskussion und Ergebnisse der drei Workshops zu „Inklusiven Quartieren“, „Gemeinschaftlichen Wohnformen für Menschen mit Exklusionsrisiko“ und „Pflegewohnungen auf Zeit“ zusammen. Darüber hinaus dokumentiert sie die Gesprächsrunde mit Vertreterinnen und Vertretern aus Förderprojekten des Modellprogramms über ihre Konzepte zur Sicherung der Inklusion beim Wohnen. Fachbeiträge von Romy Reimer, Tobias Behrens, Ulrich Niehoff und Bruno Wiedermann runden die Publikation ab.
Hier geht es zum Download der barrierfreien Web-PDF
Die Fachpublikation Gemeinschaftliches Wohnen plus. Teilhabe, Fürsorge, Pflege, Beratung basiert auf der Analyse und Auswertung des Modellprogramms Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben des BMFSFJ. Sie versammelt Fachbeiträge von Andrea Töllner, Josef Bura, Romy Reimer, Ursula Kremer-Preiß, Ricarda Pätzold, Nina Gust, Britta Klemm und Claudia Kaiser, die die Potentiale gemeinschaftlicher Wohnenformen in Zeiten des demografischen Wandels und angesichts der damit verbundenen planerischen Herausforderungen in Städten, Ländern und Kommunen ausloten. Aufgezeigt werden Wege, wie Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf möglichst selbstbestimmt in der Mitte der Gemeinschaft, im vertrauten Wohnumfeld leben können.
Die barrierefreie Web-PDF der Broschüre steht hier zum Download bereit ->